Als ich mit der Papierflut nach dem Wechsel in die Energiebranche konfrontiert wurde, war eine meiner ersten Fragen: „Warum wird so viel gedruckt? Warum können wir es nicht wie Banken machen? Ankündigen, dass alles auf elektronischem Wege zugestellt wird und Kunden, die dennoch nicht auf Papier verzichten wollen / können, eine zusätzliche Gebühr abverlangen.“
Mittlerweile habe eine differenziertere Sicht darauf.
Die Energiewirtschaft ist nach der Liberalisierung komplexer geworden. Die Aufgaben der Energieversorgung sind zwischen Lieferanten, Netzbetreiber und Messstellenbetreiber aufgeteilt. In meisten Fällen hat nur der Energielieferant einen unmittelbaren Kundenkontakt, denn er mit dem Endverbraucher einen Vertrag schließt. Damit der Kunde Strom oder Gas bekommt, müssen alle drei Marktrollen mit einander kommunizieren und ihre Daten austauschen. Der Datenaustausch ist durch die Bundesnetzagentur bis ins kleinste Detail geregelt. Die Krux dabei: Elektronische Kommunikationsdaten sind nicht enthalten! Somit fehlt eine zentrale Voraussetzung für die papierlose Kommunikation: Denn überall dort, wo Verträge implizit zustande kommt, fehlen diese wichtigen Informationen. Das hat gravierende Folgen für alle Marktakteure.
Ein Messstellenbetreiber soll Zählerstände im Auftrag anderer Marktteilnehmer ablesen. Dafür bekommt er von diesen Kundendaten zugestellt: den Namen und die postalische Adresse. Er hat daher keine Möglichkeit, seine Ableseerinnerung per E-Mail zuzustellen. Die meisten schicken eine Karte zu, und bitten, den Zählerstand elektronisch zu übermitteln und sich für die Zukunft zu registrieren. Einen wirksamen Hebel hat er nicht.
Kommt ein Kunde in die Grundversorgung bzw. Ersatzversorgung, kann der Energielieferant sein Begrüßungsschreiben ebenfalls nicht per E-Mail versenden. Der Lieferant bekommt Kundendaten vom Netzbetreiber über Datenaustausch und es kommt ein Vertrag zustande. Hier werden neben technischen Informationen der Name und die Anschrift vom Verbraucher geschickt, aber keine E-Mail Adresse. Wenn der Kunde nicht in einen wettbewerblichen Tarif wechselt, hat der Energieversorger ebenfalls wenig Chancen, den Kunden über digitale Kanäle zu erreichen.
Da Stadtwerke meist die Rolle Grundversorger wahrnehmen, haben sie einen beachtlichen Anteil an Kunden, über die ihnen nur wenig bekannt ist. Zudem darf man die Altersstruktur der Regionalversorger nicht außer acht lassen.
Daher ist aus meiner Sicht entscheidend, dass regionale Energielieferanten ihren Kunden Anreize schaffen, digitale Kommunikationsmitteln zu nutzen, beispielsweise durch attraktive Produkte, benutzerfreundliche Self-Service-Portale oder ergänzendende nur online buchbare Angebote.
Gleichzeitig kann der Aufwand durch smarte Prozesse und geeignete Werkzeuge im Output- und Omnichannel Management signifikant reduziert werden.
Hier kommt es vor allem auf die automatisierte KI-gestützte Verarbeitung eingehender Dokumente. Im Idealfall greift der Mensch nur punktuell ein: Er hilft der Maschine, beispielsweise die Handschrift zu entziffern, und lässt sie weiter arbeiten. Das System lernt im Laufe der Zeit dazu und braucht immer weniger Unterstützung. Wichtig an der Stelle ist, im Hinterkopf zu behalten, dass die künstliche Intelligenz nicht fehlerfrei Entscheidungen treffen kann. Genauso wie die Natürliche. Eine gewisse Fehlerquote muss zugunsten höheren Automatisierungsgrads hingenommen werden.
Beim Design von Formularen und Abläufen in Output Management, können Sie ebenfalls einiges beeinflussen, indem Sie die Dokumente so gestalten, dass sie leicht eingelesen und verarbeitet werden können, und immer wenn möglich Daten per E-Mail zu schicken. Auch Hinweise auf Self-Service dürfen nicht fehlen.
Last but not least: Sie benötigen ein Kundenportal, wo der Kunde seine Anliegen 24x7 erledigen kann und Zugriff auf notwendigen Informationen hat.
Leider gibt es nicht diesen einen Hebel, den man umlegen kann, dafür viele kleinere, die in Summe die Papierflut effektiv eindämmen lassen.
Was ist Grund- und Ersatzversorgung?
Jeder Haushaltskunde hat einen Anspruch auf Energieversorgung durch den Grundversorger. Das ist derjenige Energielieferant, der die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet mit Strom und/oder Gas beliefert. Er hat zudem die Aufgabe, die Kunden zu versorgen, die bspw. durch einen missglückten Lieferantenwechsel oder durch eine Lieferanteninsolvenz keinen Liefervertrag haben (Ersatzversorgung).
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